#1

Oxfordspeech - 6,Maerz 2001

in Just Michael 12.05.2011 18:06
von Dirty Diana | 2.830 Beiträge | 2744 Punkte



"Danke, danke, liebe Freunde, aus tiefstem Herzen für eine solch liebevolle und warme Begrüßung, und vielen Dank, Mr. President, für ihre freundliche Einladung an mich, durch die ich mich so geehrt fühle. Ich möchte außerdem Shmuley meinen speziellen Dank aussprechen, der seit 11 Jahren hier in Oxford seinem Dienst als Rabbi nachgeht. Du und ich, wir haben so hart gearbeitet, um Heal the Kid ins Leben zu rufen, und auch, um unser Buch über ‚kindliche Fähigkeiten' zu schreiben, und in all unseren Bemühungen warst du ein solch unterstützender und liebevoller Freund. Und ich möchte auch bei Toba Friedman danken, unserer organisatorischen Direktorin bei Heal the Kids, die heute Abend wieder an die Universität zurückkehrt, wo sie als hohe Gelehrte tätig ist, genau wie Marilyn Piels, ein weiteres zentrales Mitglied des Heal the Kids-Teams.

Ich bin demütig, an einem Ort eine Rede zu halten, der zuvor von solch bemerkenswerten Menschen wie Mutter Theresa, Albert Einstein, Ronald Reagan, Robert Kennedy und Malcom X besucht wurde. Ich habe sogar gehört, dass Kermit der Frosch zu einem Besuch hier war, und ich habe schon immer eine Verbundenheit mit Kermits Botschaft gefühlt, dass es nicht einfach ist, grün zu sein. Ich bin sicher, er fand es auch nicht leichter, hier oben zu stehen, als ich.

Als ich mich heute in Oxford umgeschaut habe, konnte ich nicht anders als mir der Königlichkeit und Größe dieser Einrichtung bewusst zu werden, gar nicht zu reden von der Brillanz der großartigen und begnadeten Geistern, die seit Jahrhunderten diese Straßen durchwandert haben. Die Wände Oxfords haben nicht nur die größten philosophischen und wissenschaftlichen Genies beheimatet, sondern auch einige der an meisten geschätzten Kinderbuchautoren, von JRR Tolkien bis zu CS Lewis. Heute ist es mir erlaubt gewesen, in die Speisehalle der ‚Christ Church' zu humpeln, um Lewis Carrols Alice im Wunderland in den farbigen Glasfenstern verewigt zu sehen. Und sogar einer meiner amerikanischen Gefährten, der geliebte Dr. Seuss, ehrte diese Hallen und hat später in der Fantasie von Millionen von Kindern überall auf der Welt hinterlassen.

Ich denke, ich sollte damit beginnen meine Qualifikationen, heute Abend vor Ihnen zu sprechen, aufzulisten. Freunde, ich behaupte nicht, die akademische Expertise der anderen Sprecher zu haben, die schon in diesen Hallen vorgetragen haben, genauso wenig wie sie wohl sagen könnten, ein Meister des Moonwalk zu sein - und wissen Sie, besonders Einstein war darin wirklich schlecht!

Aber ich kann behaupten, dass ich schon mehr Orte und Kulturen erlebt habe, als die meisten Leute jemals sehen werden. Menschliches Wissen besteht nicht nur aus Büchereien von Pergament und Tinte - es umfasst auch das gesamte Wissen, das in den Herzen der Menschen niedergeschrieben ist, gemeißelt in die menschliche Seele und eingraviert in die menschliche Psyche. Und Freunde, ich bin in diesem relativ kurzem Leben schon so vielem begegnet, dass ich immer noch nicht recht glauben kann, dass ich erst 42 Jahre alt bin! Ich sage oft zu Shmuley, dass ich sicher bin, dass ich in ‚Seelenjahren' gerechnet, mindestens 80 bin - und heute Abend laufe ich ja sogar wie ein 80-jähriger! Und so lauschen Sie bitte meiner Botschaft, denn was ich Ihnen heute Abend sagen möchte, kann der Menschheit Heilung bringen und unserem ganzen Planeten.

Durch Gottes Gunst habe ich das Glück gehabt, vieler meiner künstlerischen und professionellen Ziele schon in meinen frühen Lebensjahren zu erreichen. Aber das, meine Freunde, sind Errungenschaften, die nicht damit gleichzusetzen sind, wer ich bin. Tatsächlich gab der fröhliche 5-jährige, der ‚Rockin` Robin' und ‚Ben' vor bewundernden Mengen gesungen hat, keinen Hinweis darauf, wer der Junge hinter diesem Lachen eigentlich war.

Heute trete ich vor Sie, weniger als eine Ikone des Pop - was auch immer das bedeuten mag - sondern viel mehr als eine Ikone einer Generation, einer Generation, die nicht mehr weiß, was es bedeutet, Kinder zu sein.

Jeder von uns ist das Produkt seiner Kindheit. Aber ich bin das Produkt eines Mangels an Kindheit, eines Fehlens dieses wertvollen und wunderbaren Alters, wenn wir spielerisch ohne Sorgen in der Welt herumtoben, sich in der Bewunderung von Eltern und Verwandten sonnend und in dem die größte Sorge ist, für das Diktat am Montag morgen zu üben.

Diejenigen von Ihnen, die die Jackson 5 kennen, wissen, dass ich schon im zarten Alter von fünf Jahren mit Auftritten begann, und dass ich seitdem nicht mehr damit aufgehört habe zu singen und zu tanzen. Aber auch wenn aufzutreten und Musik zu machen mit Sicherheit immer zu meinen größten Freuden zählen wird, habe ich mir als ich jung war, nichts sehnlicher gewünscht, ein gewöhnlicher kleiner Junge zu sein. Ich wollte Baumhäuser bauen, Wasserballon-Schlachten machen und mit Freunden Verstecken spielen. Aber das Schicksal wollte es anders, und alles, was ich tun konnte, war, das Lachen und die Spiele, die überall um mich herum zu sein schienen, zu beneiden.

Es gab keinen Rückzug aus meinem professionellen Leben. Aber an den Sonntagen ging ich ‚missionieren', das ist der Ausdruck für die Missionsarbeit der Zeugen Jehovas. Und dabei konnte ich die Magie anderer Leute Kindheit sehen.

Da ich bereits eine Berühmtheit war, musste ich eine Verkleidung anziehen, in Form eines fetten Anzugs, Perücke, Bart und Brille, und wir verbrachten den Tag in den Vororten in ‚Southern California', gingen von Tür zu Tür oder machten die Runde durch Einkaufszentren, und verteilten den ‚Wachturm'. Ich liebte es, den Fuß in die normalen Haushalte zu setzen und die zotteligen Läufer auf dem Fußboden zu erblicken und Lehnstühle mit Kindern, die Monopoly spielten und Großmütter, die Babys sitteten und all diese wunderbaren, gewöhnlichen und romantischen Szenen des Alltagsleben. Ich weiß, viele würden argumentieren, dass diese Dinge keine große Sache sind. Aber für mich waren sie einfach magnetisch.

Ich dachte immer, ich sei der einzige, der sich fühlte, als ob er keine Kindheit gehabt hätte. Ich dachte, dass es wohl nur eine handvoll Leute gibt, mit denen ich diese Gefühle teilen konnte. Als ich kürzlich Shirley Temple Black traf, den großen Kinderstar der 30er und 40er Jahre, sprachen wir zunächst gar nicht miteinander, wir haben einfach miteinander geweint, denn sie konnte einen Schmerz mit mir teilen, den sonst nur meine engen Freunde Elizabeth Taylor und McCauley Culkin kennen.

Ich erzähle euch das nicht, um eure Sympathie zu gewinnen, sondern um auf meinen ersten wichtigen Punkt zu kommen: es sind nicht nur Hollywood-Kinderstars, die unter einer nicht-existierenden Kindheit gelitten haben. Heute ist das eine globale Katastrophe.
Überall um uns herum erschaffen wir eine Menge von Kindern, die nicht die Freude gehabt haben, denen nicht das Recht zuerkannt wurde und denen nicht die Freiheit und das Wissen gegönnt wurden, ein Kind zu sein.

Heute werden Kinder ständig ermutigt, schneller erwachsen zu werden, so als ob diese Periode, bekannt als Kindheit, ein lästiges Stadium ist, das ertragen und möglichst schnell durchlebt werden muss. Und bei diesem Thema bin ich sicherlich einer der Welt größten Experten.


zuletzt bearbeitet 12.05.2011 18:16 | nach oben springen

#2

RE: Oxfordspeech - 6,Maerz 2001

in Just Michael 12.05.2011 18:07
von Dirty Diana | 2.830 Beiträge | 2744 Punkte



Unsere Generation ist Zeuge der Abschaffung des ,Eltern-Kind-Bundes' geworden. Psychologen veröffentlichen Bibliotheken von Büchern, welche detailliert die destruktiven Auswirkungen beschreiben, zu denen es kommt, wenn man seinen Kindern die bedingungslose Liebe vorenthält, die für die gesunde Entwicklung ihres Verstandes und Charakters so notwendig ist. Und wegen all der Vernachlässigung müssen sich viel zu viele unserer Kinder im Wesentlichen selbst erziehen. Sie wachsen distanziert von ihren Eltern, Großeltern und anderen Familienmitgliedern auf, weil sich überall um uns herum das unzerstörbare Band, das einst die Generationen zusammenhielt, auflöst.

Dieser Bruch hat eine neue Generation hervorgebracht - lassen Sie sie uns Generation O nennen - die jetzt die Fackel der Generation X übernimmt. Das O steht für eine Generation, die äußerlich alles hat, Reichtum, Erfolg, modische Kleidung und tolle Autos, aber eine schmerzende Leere im Inneren. Dieser Hohlraum in unserer Brust, diese Unfruchtbarkeit in unserem Innersten, diese Leere in unserem Zentrum ist der Ort, wo das Herz einst geschlagen hat und der einst von Liebe besetzt war.

Und es sind nicht nur die Kinder, die leiden. Es sind ebenso die Eltern. Je mehr wir kleine Erwachsene in den Körpern unserer Kinder heranzüchten, umso mehr entfernen wir uns von unseren eigenen kindlichen Fähigkeiten und dabei gibt es so vieles am Kindsein, was es wirklich wert ist, im Erwachsenenalter erhalten zu bleiben.

Die Liebe, meine Damen und Herren, ist das wertvollste Erbe der menschlichen Familie, das kostbarste Vermächtnis, eine goldene Hinterlassenschaft. Und sie ist ein Schatz, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Frühere Generationen hatten vielleicht nicht den Reichtum, den wir genießen können. In ihren Häusern mag es keine Elektrizität gegeben haben, und sie quetschten all ihre kleinen Kinder in kleine Häuser ohne Zentralheizung. Aber in diesen Häusern gab es keine Dunkelheit, noch waren sie kalt. Sie waren hell erleuchtet mit dem Schein der Liebe und gemütlich angewärmt von der Wärme des menschlichen Herzens. Eltern, die von der Gier nach Reichtum und Status unbeeinflusst waren, gaben ihren Kindern Vorrang in ihrem Leben.

Wie Sie alle wissen, sind unsere beiden Länder aus einem Grund auseinander gebrochen, den Thomas Jefferson als ‚bestimmte unveräußerliche Rechte' bezeichnete. Und während wir Amerikaner und Briten über die Gerechtigkeit dieser Annahmen streiten mögen, kam dabei niemals zur Sprache, dass auch Kinder bestimmte unveräußerliche Rechte haben, und dass die graduelle Erosion dieser Rechte dazu geführt hat, dass weltweit die Freuden und Sicherheiten der Kindheit verweigert werden.

Ich würde heute vorschlagen, dass wir in jedem Heim eine universelle ‚Kinderrechts-Liste' aufhängen, deren Punkte wäre:

1. Das Recht geliebt zu werden, ohne es sich verdienen zu müssen

2. Das Recht beschützt zu werden, es verdient zu haben

3. Das Recht, sich wertvoll zu fühlen, auch wenn man mit nichts in die Welt gekommen ist

4. Das Recht, dass einem zugehört wird, ohne dass man interessant sein muss

5. Das Recht ein Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen, ohne mit den Abendnachrichten oder East Enders konkurrieren zu müssen

6. Das Recht auf eine Erziehung und Unterricht, ohne dabei Gewehrkugel ausweichen zu müssen

7. Das Recht, als bewundernswert angesehen zu werden - (auch wenn man ein Gesicht hat, das nur eine Mutter lieben kann…)


Freunde, die Basis allen menschlichen Wissens, der Beginn des menschlichen Bewusstseins, muss sein, dass jeder, jeder einzelne von uns ein Objekt der Liebe ist. Schon bevor man weiß, ob man weiß, ob man nun rotes oder braunes Haar hat, bevor man weiß ob man schwarz oder weiß ist, bevor man weiß, was für einer Religion man angehört, muss man wissen, dass man geliebt wird.

Vor etwa 12 Jahren, als ich gerade daran ging, meine Bad-Tour zu starten, kam ein kleiner Junge mit seinen Eltern um mich zu Hause in Kalifornien zu besuchen. Er würde an Krebs sterben, und er sagte mir, wie sehr er mich und meine Musik mag. Seine Eltern erzählten mir, dass er nicht überleben würde, dass er jeden Tag sterben könnte, und ich sagte zu ihm: "Schau ich werde in deine Stadt in Kansas kommen, um dort in 3 Monaten meine Tour zu starten. Ich will, dass du zu der Show kommst. Ich schenke dir diese Jacke hier, die hatte ich in einen meiner Videos an." Seine Augen leuchteten auf du er sagte: "Du schenkst sie mir?!" Ich sagte: "Ja, aber du musst mir versprechen, dass du sie bei der Show tragen wirst." Ich wollte, dass er durchhält. Ich sagte: "Wenn du zu der Show kommst, will ich dich in dieser Jacke und mit diesem Handschuh sehen", und ich gab ihm einen meiner mit Bergkristallen besetzten Handschuhe und normalerweise gebe ich solche Handschuhe niemals weg. Und er war wie im Himmel.
Aber vielleicht war er dem Himmel wirklich schon zu nahe, denn als ich in seine Stadt kam, war er bereits gestorben, und sie hatten ihn in dem Handschuh und der Jacke beerdigt. Er war erst 10 Jahre alt. Gott weiß, ich weiß, dass er sein Bestes gab um durchzuhalten. Aber zumindest wusste er, als er starb, dass er geliebt wurde, nicht nur von seinen Eltern, sondern auch von mir, einem ‚nahen Fremden' - ich liebte ihn auch. Und mit all dieser Liebe wusste er, dass er nicht alleine in diese Welt gekommen war, und sicherlich verließ er sie auch nicht einsam.

Wenn man diese Welt in dem Wissen betritt, geliebt zu werden und sie mit demselben Wissen wieder verlässt, dann kann mit allem, was dazwischen liegt, klarkommen. Ein Professor mag Sie erniedrigen, aber Sie werden sich nicht erniedrigt fühlen, Ihr Chef mag Sie unterdrücken, aber Sie werden nicht unterdrückt sein, ein Gegner mag Sie körperlich bezwingen, aber dennoch werden Sie triumphieren. Wie könnte irgendjemand wirklich die Oberhand über Sie gewinnen und Sie unterkriegen? Denn Sie wissen, dass Sie ein Objekt der Liebe sind, das der Liebe wert ist. Der Rest ist nur Happening.


zuletzt bearbeitet 12.05.2011 18:17 | nach oben springen

#3

RE: Oxfordspeech - 6,Maerz 2001

in Just Michael 12.05.2011 18:08
von Dirty Diana | 2.830 Beiträge | 2744 Punkte

Aber wenn man diese Erinnerung, geliebt zu werden, nicht hat, ist man verdammt, die Welt nach etwas abzusuchen, um sich selbst auszufüllen. Aber egal, wie viel Geld man verdient oder wie berühmt man wird, man wird sich stets leer fühlen. Das, wonach man eigentlich sucht, ist diese unbedingte Liebe, bedingungslose Akzeptanz, welche einem bei der Geburt aberkannt wurde.

Lassen Sie mich ein Bild für Sie skizzieren. Das ist ein typischer Tag in Amerika: sechs junge Menschen unter 20 begehen Selbstmord, 12 Kinder sterben durch Schusswaffen - bitte bedenken Sie, das ist ein Tag, kein Jahr - 399 Kinder werden wegen Drogenmissbrauch verhaftet, 1.352 Babys werden von minderjährigen Müttern geboren. Dies geschieht in einem der reichsten und am weitesten entwickelten Länder in der Geschichte der Welt!

Ja, in meinem Land gibt es eine Epidemie der Gewalt, die keiner anderen Industrienation gleicht. Das sind die Wege, auf die junge Menschen in Amerika ihren Schmerz und ihre Wut ausdrücken. Aber denken Sie nicht, dass es nicht den gleichen Schmerz und Zorn bei ihren Altersgenossen im Vereinigten Königreich gibt. Studien in diesem Land zeigen, dass sich jede Stunde drei Teenager in den UK selbst Schaden zufügen, oft indem sie sich selbst schneiden oder sich verbrennen oder Überdosen nehmen. Das ist der Weg, den sie sich ausgesucht haben, mit dem Schmerz der Vernachlässigung und emotionaler Agonie umzugehen.

In Britannien setzen sich 20% der Familien nur einmal im Jahr zusammen, um gemeinsam Abend zu essen. Einmal im Jahr! Und was ist mit der althergebrachten Tradition, Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen? Untersuchungen aus den 80ern zeigen, dass Kinder, denen vorgelesen wird, eine viel größere sprachliche Fähigkeit entwickeln und ihre Mitschüler in der Schule signifikant übertrafen. Und dennoch wird weniger als 33% der britischen Kinder im Alter von 2 bis 8 Jahren regelmäßig eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Vielleicht denken Sie sich nicht viel dabei, ehe Sie beachten, dass noch 75% ihrer Eltern Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen bekamen, als sie im selben Alter waren.

Sicherlich müssen wir uns nicht fragen, woher all dieser Schmerz, Zorn und das gewalttätige Verhalten kommen. Es erklärt sich von selbst, dass Kinder gegen diese Vernachlässigung protestieren, dass sie sich gegen diese Gleichgültigkeit auflehnen und laut aufschreien, nur, um beachtet zu werden. Die verschiedenen Kinderschutzorganisationen in den Vereinigten Staaten sagen, dass in einem durchschnittlichen Jahr Millionen von Kinder Opfer von Misshandlung in Form von Vernachlässigung sind. Ja, Vernachlässigung. In reichen Heimen, privilegierten Heimen, bis zum Dach voll gestopft mit jeder Art von elektronischem Schnickschnack. Heime, wo die Eltern nach Hause kommen, aber niemals richtig zuhause sind, weil die mit den Gedanken immer noch im Büro sind. Und ihre Kinder? Nun, die behelfen sich mit jedem Krümel Emotionalität, den sie bekommen können. Und man bekommt nicht viel davon durch endloses Fernsehen, Computerspielen und Videos!

Die harten, kalten Zahlen, die , wie ich finde, einem die Seele zerreißen und den Geist erschüttern, sollten Ihnen zeigen, warum ich so viel Zeit und Ressourcen dazu verwendet habe, unsere neue Initiative ‚Heal the Kids' zu einem kolossalen Erfolg zu machen.

Unser Ziel ist einfach: den Eltern-Kind-Bund wieder zu erschaffen, ihre Versprechen wieder zu erneuern und den Weg zu ebnen für all die wunderbaren Kinder, die dazu bestimmt sind, eines Tages auf dieser Erde zu wandeln.

Aber weil dies meine erste öffentliche Rede ist und Sie mich so warm in Ihren Herzen willkommen geheißen haben, denke ich, dass ich Ihnen noch mehr erzählen möchte. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte und in ihnen können Statistiken persönlich werden.

Man sagt, dass Eltern sein wie Tanzen ist. Man macht einen Schritt, das Kind macht einen anderen. Ich habe herausgefunden, dass es nur die halbe Wahrheit ist, die Eltern dazu zu bringen, sich wieder ganz selbst ihren Kindern zu widmen. Die andere Hälfte ist, die Kinder wieder dazu zu bringen, ihre Eltern zu akzeptieren.

Ich erinnere mich, dass wir, als ich noch sehr jung war, diesen verrückten Dussel von einem Hund namens ‚Black Girl' hatten, eine Mischung aus Wolf und Retriever. Sie hatte nicht nur wenig von einem Wachhund, sondern war auch ein solch verschrecktes und nervöses Ding, dass es ein Wunder ist, dass sie nicht jedes Mal in Ohnmacht gefallen ist, wenn ein Truck vorbeirumpelte oder ein Gewitter über Indiana hinwegfegte. Meine Schwester Janet und ich gaben dem Hund so viel Liebe, aber wir konnten diesen Sinn des Vertrauens nie zurückgewinnen, der ihr von ihrem vorigen Besitzer geraubt worden war. Wir wüssten, dass er sie oft geschlagen hatte. Wir wussten nicht, mit was. Aber was auch immer es war, es war genug, um das ganze Leben aus diesem Hund zu ziehen.

Heute sind viele Kinder wie verletzte Welpen, die sich selbst das Bedürfnis nach Liebe abgewöhnt haben. Sie könnten sich kaum noch weniger für ihre Eltern interessieren. Sich selbst überlassen, halten sie an ihrer Unabhängigkeit fest. Sie sind weiter gegangen und haben ihre Eltern hinter sich gelassen.


Dann gibt es noch die viel schlimmeren Fälle von Kindern, die Feindseeligkeit und Groll gegen ihre Eltern hegen, so dass jeder Vorschlag, den ihre Eltern machen könnten, ihnen brutal ins Gesicht zurückgeschlagen wird.

Heute Abend will ich nicht, dass jemand von uns diesen Fehler macht. Deswegen appelliere ich an all die Kinder der Welt - beginnend mit uns allen, die wir heute Abend hier sind - unseren Eltern zu vergeben, wenn wir uns vernachlässigt fühlten. Vergebt ihnen und lehrt sie, wie man wieder liebt.

Sie sind wahrscheinlich nicht überrascht zu hören, dass ich keine idyllische Kindheit hatte. Der Stress und die Anspannung, die es in der Beziehung zu meinem Vater gibt, wurden ausführlich dokumentiert. Mein Vater ist ein strenger Mann, und er drängte, mich und meine Brüder schon vom frühsten Alter ab unnachgiebig, die besten Künstler zu sein, die wir sein konnten.

Er hatte große Schwierigkeiten, Liebe zu zeigen. Er hatte mir niemals wirklich gesagt, dass er mich liebt. Und er hat mir auch sonst nichts Nettes zu sagen gehabt. Lieferte ich eine großartige Show, sagte er, es war eine gute Show. Und war die Show okay, sagte er mir, sie war lausig.

Er schien mehr als alles andere daran interessiert zu sein, aus uns einen kommerziellen Erfolg zu machen. Und darin war er mehr als ein Experte. Mein Vater war ein Manager-Genie, und meine Brüder und ich schulden unseren professionellen Erfolg nicht in geringem Maße auch dem harten Weg, den er uns gehen ließ. Er trainierte mich zum Showman, und unter seiner Führung konnte ich keinen Schritt falsch machen.

Aber was ich wirklich wollte, war ein Vater. Ich wollte einen Vater, der mir seine Liebe zeigt. Und mein Vater hat das nie getan. Er sagte nie ich liebe dich und sah mir dabei direkt in die Augen, er spielte nie mit mir. Er nahm mich nie Huckepack, er warf nie ein Kissen nach mir, oder einen Wasser-Ballon.

Aber ich erinnere mich an dieses einziges mal, als ich gerade etwa vier Jahre alt war, da war dieser kleine Jahrmarkt, und er hob mich hoch und setzte mich auf ein Pony. Es war nur eine winzige Geste, wahrscheinlich etwas, das er nach 5 Minuten vergessen hatte. Aber wegen diesem kurzen Moment hat er einen besonderen Platz in meinem Herzen. Denn so sind Kinder nun mal, die kleinen Dinge bedeuten ihnen so viel, und für mich bedeutete dieser eine Moment alles. Ich habe das nur dieses eine Mal erlebt, aber dadurch fühlte ich mich wirklich gut, in Bezug auf ihn und die Welt.


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#4

RE: Oxfordspeech - 6,Maerz 2001

in Just Michael 12.05.2011 18:09
von Dirty Diana | 2.830 Beiträge | 2744 Punkte

Aber nun bin ich selbst Vater und eines Tages habe ich mir über meine Kinder, Prince und Paris, Gedanken gemacht und wie ich gern hätte, was sie von mir denken, wenn sie älter sind. Natürlich hätte ich gern, dass sie sich daran erinnern, dass ich sie immer bei mir haben wollte, wo auch immer ich hinging, dass ich immer versuchte, sie vor alles andere zu stellen. Aber es gibt auch Herausforderungen in ihrem Leben. Weil meine Kinder ständig von Paparazzi verfolgt werden, können sie nie mit mir in einen Park gehen oder ins Kino.

Was ist, wenn sie älter werden und ärgerlich über mich sind, und darüber, wie meine Entscheidungen ihre Jugend beeinflusst haben? "Warum hatten wir keine gewöhnliche Kindheit wie alle anderen Kinder?" mögen sie mich fragen. Und in diesem Moment bete ich, dass meine Kinder im Zweifel für den Angeklagten entscheiden. Dass sie zu sich selber sagen werden: "Unser Daddy gab sein bestes, in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände, mit denen er konfrontiert war. Er war vielleicht nicht perfekt, aber er war ein warmherziger und anständiger Mann, der versucht hat, uns alle Liebe der Welt zu geben."

Ich hoffe, dass sie sich immer auf die positiven Dinge konzentrieren, auf die Opfer, die ich bereit war für sie zu bringen und nicht die Dinge kritisieren, die sie aufgeben mussten oder die Fehler, die ich gemacht hab und sicherlich noch machen werde, während ich sie groß ziehe. Denn wir sind alle irgendjemandes Kind und wissen, dass trotz der besten Pläne und Anstrengungen Fehler immer auftreten werden. Das ist nur menschlich.

Und wenn ich darüber nachdenke, wie sehr ich hoffe, dass meine Kinder mich nicht unfreundlich aburteilen und mir meine Unzulänglichkeiten vergeben, bin ich gezwungen, an meinen eigenen Vater zu denken, und obwohl ich es früher verleugnete, muss ich jetzt zugeben, dass er mich doch geliebt haben muss. Er liebte mich, ich weiß das.

Es gab kleine Anzeichen, die das zeigten. Als ich Kind war, war ich ein echter Süßzahn - das waren wir alle. Mein Lieblingsessen waren glasierte Donuts, und mein Vater wusste das. Also alle paar Wochen stand auf der Küchenablage eine Tüte voller glasierter Donuts, wenn ich morgens herunter kam, - keine Nachricht, keine Erklärung, nur die Donuts. Es war als ob der Weihnachtsmann da gewesen wäre.

Manchmal dachte ich daran, bis spät in die Nacht aufzubleiben, so dass ich sehen konnte, wie er sie dort hinlegte, aber wie beim Weihnachtsmann wollte ich nicht die Magie zerstören, aus Angst, dass er es nie wieder tun würde. Mein Vater musste sie heimlich in der Nacht dort hinlegen, damit niemand ihn ohne seinen Schutz ertappen konnte. Er hatte Angst vor menschlichen Emotionen, er verstand sie nicht oder wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Aber er kannte Donuts.

Und wenn ich es zulasse, dass sich die Schleusentore öffnen, gibt es auch noch andere Erinnerungen, die zu mir zurück strömen, Erinnerungen an andere winzige Gesten, die mir zeigten, dass er tat, was er konnte. Also will ich mich heute Abend lieber nicht auf das konzentrieren, was mein Vater versäumt hat, sondern auf die Dinge, die er getan hat und auf seine eigenen persönlichen Herausforderungen. Ich will aufhören, ihn zu verurteilen.

Ich habe damit begonnen, mir Gedanken darüber zu machen, dass mein Vater im Süden aufgewachsen ist, in einer sehr armen Familie. Er wuchs während der großen Depression heran, und sein eigener Vater, welche kämpfte, um seine Kinder zu ernähren, zeigte nur wenig Zuneigung gegenüber seiner Familie und erzog meinen Vater und seine Verwandten mit eiserner Hand. Wer könnte sich vorstellen, wie es war, als armer Schwarzer im Süden heranzuwachsen, aller Würde beraubt, ohne Hoffnung, kämpfend, ein Mann zu werden in einer Welt, die meinen Vater als Untergeordneten ansah. Ich war der erste schwarze Künstler, der auf MTV gespielt wurde, und ich erinnere mich, was für eine riesige Sache das damals noch war. Und das war in den 80er Jahren!

Mein Vater zog nach Indiana und hatte eine eigene große Familie, und Arbeit im Stahlwerk, eine Arbeit, die die Lungen zerstört und das Gemüt demütigt, alles, um seine Familie zu unterhalten. Ist es denn ein Wunder, dass er es schwer gefunden hat, seine Gefühle zu offenbaren? Ist irgendein Geheimnis dabei, dass er sein Herz verhärtet hat, dass er emotionale Barrieren aufgebaut hat? Und vor allem, ist es denn ein Wunder, dass er seine Söhne so hart zum Erfolg als Performer gedrängt hat, damit sie vor den bewahrt bleiben, was er als ein Leben voller Würdelosigkeit und Armut kannte?

Ich habe begonnen zu sehen, dass sogar meines Vaters Härte eine Art Liebe war, eine unperfekte Liebe sicherlich, aber nichtsdestotrotz Liebe. Er war so streng, weil er mich liebte. Weil er nicht wollte, dass jemals ein Mensch auf seinen Nachkommen herabblickt.

Und jetzt mit der Zeit verspüre ich eher Segnung als Verbitterung. Anstelle des Zorns habe ich Absolution gefunden. Und Versöhnung anstellen von Revanche. Und meine anfängliche Wut hat langsam dem Verzeihen Platz gemacht.

Nunmehr vor zehn Jahren gründete ich ein Wohltätigkeitsorganisation namens ‚Heal the World'. Dieser Titel war etwas, was ich in mir gespürt habe. Ich habe kaum gewusst, was mir Shmuley später erzählte, dass diese beiden Worte aus den Prophezeiungen des alten Testamentes stammen. Glaube ich denn wirklich, dass wir diese Welt heilen können, die von Krieg und Völkermord geschüttelt wird, sogar heute noch? Und denke ich wirklich, dass wir unsere Kinder heilen können, dieselben Kinder, die ihre Schulen mit Waffen und Hass betreten und ihre Klassenkameraden niederschießen können, wie dies an der Columbine geschah? Oder dieselben Kinder, die ein wehrloses Kleinkind zu Tode prügeln können, wie in der tragischen Geschichte von Jamie Bulger? Natürlich glaube ich das, oder ich wäre heute Abend nicht hier.


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#5

RE: Oxfordspeech - 6,Maerz 2001

in Just Michael 12.05.2011 18:10
von Dirty Diana | 2.830 Beiträge | 2744 Punkte

Aber das alles beginnt mit der Vergebung, denn um die Welt zu heilen, müssen wir zunächst einmal uns selbst heilen. Und um die Kinder zu heilen, müssen wir erst einmal das Kind in jedem einzelnen von uns heilen. Als Erwachsener und als Elternteil stelle ich fest, dass ich weder ein ganzer Mensch sein kann, noch ein Elternteil, fähig zu bedingungsloser Liebe, bis ich nicht den Geist meiner eigenen Kindheit Frieden gewähre.

Und das ist es, worum ich Sie alle heute bitte. Erfüllen Sie das fünfte der zehn Gebote: Ehren Sie Ihre Eltern, indem Sie sie nicht verurteilen. Räumen sie Ihnen Verständnis ein.


Deswegen möchte ich auch meinem Vater verzeihen und aufhören, ihn zu verurteilen. Ich will meinem Vater vergeben, weil ich einen Vater haben will, und dieser ist der einzige, den ich habe. Ich möchte die last meiner Vergangenheit von meinen Schultern nehmen, ich will frei sein, in eine neue Beziehung mit meinem Vater einzutreten, für den Rest meines Lebens, unbehindert von den Kobolden der Vergangenheit.


In einer Welt voll von Hass, müssen wir uns weiterhin trauen, zu hoffen. In einer Welt voller Verzweiflung, müssen wir uns weiterhin trauen, zu träumen. Und in einer Welt voller Misstrauen, müssen wir und weiterhin trauen, zu glauben.

An all diejenigen von Ihnen, die sich von Ihren Eltern im Stich gelassen fühlen: Ich bitte Sie, Ihre Enttäuschung abzulegen. An all diejenigen von Ihnen, die sich von Vater oder Mutter betrogen fühlen: ich bitte Sie, sich nicht selbst weiter zu betrügen. Und an all diejenigen von Ihnen, die sich wünschen, ihre Eltern beiseite zu schieben: ich möchte Sie bitten, stattdessen die Hand nach ihnen auszustrecken. Ich bitte Sie, ich bitte mich selbst, unseren Eltern das Geschenk der bedingungslosen Liebe zu geben, so dass sie von uns, ihren Kindern, lernen können, wie man liebt. So wird die Liebe in dieser desolaten und einsamen Welt wieder aufgebaut werden.

Shmuley erwähnte mir gegenüber einmal eine alte biblische Prophezeiung, die besagt, dass eine neue Welt und eine neue Zeit kommen würden, wenn ‚die Herzen der Eltern durch die Herzen ihrer Kinder wieder erneuert würden'. Meine Freunde, wir sind die Welt, wir sind diese Kinder.

Mahatma Gandhi sagte: "Die Schwachen können niemals vergeben. Vergebung ist ein Attribut der Starken." Heute Abend, seien Sie stark. Nehmen Sie über das Starksein hinaus die größte aller Herausforderungen an: den zerbrochenen Vertrag wieder zu erneuern. Wir alle müssen über die lähmenden Effekte hinwegkommen, die unsere Kindheiten auf unser Leben hatten, und in Jesse Jacksons Worten: vergebt einander, versöhnt Euch und macht weiter.

Diese Aufforderung zur Vergebung wird nicht weltweit zu Momenten führen wie bei Oprah, so dass sich Tausende von Kindern wieder mit ihren Eltern versöhnen, aber es wird zumindestens ein Anfang sein, und das Ergebnis wird sein, dass wir alle so viel glücklicher werden.

Und so, meine Damen und Herren, schließe ich meine Ausführungen heute Abend mit Vertrauen, Freude und Aufregung. Von diesem Tag an soll ein neues Lied ertönen.

Lasst dieses neue Lied der Klang von Kinderlachen sein
Lasst dieses neue Lied der Klang von spielenden Kindern sein
Lasst dieses neue Lied der Klang von singenden Kindern sein
Und lasst dieses neue Lied der Klang von lauschenden Eltern sein
Lasst uns gemeinsam eine Sinfonie des Herzens schaffen
Lasst uns die Welt heilen und ihren Schmerz lindern
Mögen wir alle wundervolle Musik gemeinsam machen

Gott segne Sie. I love you."



http://yana-chat.com/mj/oxford.htm


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